Der Nebenbuhler des Kaisers

  • Kurier
  • 14 March 2010
  • Georg Markus

Lovestory (Teil 1): Eben aufgetauchte Briefe belegen, dass die Schauspielerin Katharina Schratt neben Kaiser Franz Joseph noch einen Galan hatte

Ein Kaiser, der eine Schauspielerin liebt – das war die Lovestory einer ganzen Epoche. Und die Bewohner der Monarchie hatten sogar Verständnis für ihren Regenten, da seine Frau Elisabeth stets auf Reisen war und ihn allein in der Hofburg zurückließ. Während die Verbindung Kaiser Franz Josephs mit Katharina Schratt bisher jedoch als nette Romanze galt, wird sie jetzt durch das Auftauchen eines Nebenbuhlers getrübt. Jüngst entdeckte Liebesbriefe dokumentieren, dass die Schratt nicht nur mit dem Kaiser eine Affäre hatte, sondern mit noch einem Galan. Und zwar gleichzeitig.

Rivale "Kathi, wie gut warst du in der Nacht für mich -wie noch nie – ich fühle deine Hand – sie hat ja meinen ganzen Leib berührt, ich fühle deine Küsse so warm so heiß..." Diesen Brief, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, schrieb der Gutsherr, Sportsmann, Abenteurer und Kunstmäzen Hans Graf Wilczek an die Schauspielerin Katharina Schratt, nachdem er mit ihr im Sommer 1886 eine Nacht in der Villa Frauenstein am Wolfgangsee verbracht hatte.

Der Verdacht, dass es eine Dreiecksbeziehung Schratt-Kaiser-Wilczek gab, ist nicht neu, kann aber jetzt erst bewiesen werden, da das Hofmobiliendepot der Republik Österreich 18 eng beschriebene Briefe des Grafen Wilczek an die Schratt gekauft hat. Sie wurden nach eingehender Prüfung für echt befunden und infolge ihrer zeitgeschichtlichen Bedeutung vom Bundesdenkmalamt für die Ausfuhr gesperrt, müssen also in Osterreich bleiben.

Eifersucht Der Kaiser reagierte stets gereizt, wenn es um den Grafen ging. "Nie hätte ich mir erlaubt, Sie zu ersuchen, Wilczek nicht zu empfangen", schrieb Franz Joseph einmal an die Schratt, "ich war eben nur wieder eifersüchtig, da ich Sie so lieb habe (zerreißen Sie gleich diesen Brief)." Doch auch Wilczek fühlte, dass ihm der Kaiser im Wege stand: "Katherl, lass mich bei dir weilen, allein sein mit dir, kein Butler soll uns stören und kein Kaiser."

Die jetzt aufgefundenen Wilczek-Briefe an die Schratt stammen aus den Jahren 1885/'86. Die Schauspielerin hatte den Kaiser zwei Jahre davor, als sie sich in einerAudienz als neues Mitglied des Burgtheaters vorstellte, kennen gelernt und sofort sein Interesse geweckt. Der Beginn der Beziehung zwischen der Schratt und Franz Joseph einerseits und Wilczek andererseits muss etwa zur gleichen Zeit erfolgt sein, vermutlich 1886.

Ewige Treue Die Schratt war damals 33 Jahre alt, der Kaiser 56 und Wilczek 49. Doch auch wenn der Graf in seinen Briefen immer wieder von "ewiger Treue" spricht, kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass alle Beteiligten zum Zeitpunkt der menage à trois verheiratet waren: Franz Joseph mit "Sisi", die Schratt mit dem Diplomaten Nikolaus von Kiss und Wilczek mit seiner Frau Emma.

Hans Graf Wilczek war eine überaus populäre Erscheinung: Der Zweimeter-Mann, der in seinem prunkvollen Palais in der Wiener Herrengasse residierte, zählte zu den reichsten Aristokraten der Monarchie. Er hat sich als Forschungsreisender einen Namen gemacht und die Polarexpeditionen von Julius Payer und Karl Weyprecht ermöglicht. Geschichte schrieb Wilczek als Mitbegründer der Wiener Rettung.

Pikant an der Dreiecksgeschichte ist auch, dass Franz Joseph und Wilczek einander gut kannten: Der Kaiser war Protektor von Wilczeks Rettungsgesellschaft und hatte ihn Jahre bevor sie zu Rivalen wurden, zum Geheimen Rat und zum Mitglied des Herrenhauses ernannt. Schließlich war Wilczeks Ehefrau eine Hofdame von Kaiser Franz Josephs Mutter Sophie.

Erstaunlich auch, dass der Graf, der sonst mit beiden Beinen in der Welt stand, seine Briefe an "meine Kathi, meine Gottheit" schwärmerisch wie ein Teenager formulierte: "Katherl, Du kannst mich geistig und körperlich zugrunde richten, töten, aber los wirst du mich weder im Leben noch nach dem Tod."

Allzu mächtiger Gegner Hans Wilczek spürte freilich, dass das "Dreieck" auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten sein würde – schon weil der Kaiser ein allzu mächtiger Gegner war. Auch waren die handelnden Personen so prominent, dass keiner ihrer Schritte geheim bleiben konnte. "Katherl", war Wilczek um Diskretion bemüht, "ich werde mein Telegramm an dich ,Johannes' unterschreiben, die Telegrafisten brauchen nicht zu wissen, dass ich Hans heiße."

Nach mehrjähriger Doppelgleisigkeit musste sich die Schratt für einen ihrer beiden Verehrer entscheiden – und sie entschied sich für den Kaiser. Eher aus praktischen denn aus emotionalen Gründen:

- Rang Natürlich war es für die Tochter eines Papierwarenhändlers aus Baden bei Wien der größtmögliche gesellschaftliche Aufstieg, die Vertraute des Kaisers zu sein.

- Die Karriere Die Verbindung mit Franz Joseph wirkte sich lange Zeit auch günstig auf ihre Karriere am Burgtheater aus.

- Vermögen Vor allem aber schenkte ihr der Kaiser ein Vermögen, darunter Unmengen an Schmuck, ein Palais an der Ringstraße und eines in Wien-Hietzing. Und er beglich Spielschulden in Millionenhöhe, die sich bei der krankhaften Roulette-Spielerin anhäuften.

Das Verhältnis der Schratt mit dem Kaiser hielt 30 Jahre – bis zu dessen Tod im Herbst 1916. Wann ihre Affäre mit Wilczek endete, wissen wir nicht genau. Der Korrespondenz ist aber eindeutig zu entnehmen, dass die Beziehung zum Grafen wesentlich leidenschaftlicher war als die zum Kaiser.