Ifflands Nachlass sorgt für Theaterdonner in Berlin

  • Der Standard
  • 16 January 2014
  • Thomas Trenkler

Wiener Antiquariat gelangte in den Besitz des Materials

Wien/Berlin - In Deutschland herrscht helle Aufregung: 60 Jahre nach dem "Verschwinden" ist die umfangreiche Theaterkorrespondenz von August Wilhelm Iffland aufgetaucht. Das Wiener Antiquariat Inlibris wollte dieses Konvolut - 34 blau eingebundene Folianten mit 6000 Schriftstücken - bei der Messe Antiquaria in Ludwigsburg, die von 23. bis 25. Jänner stattfindet, um 450.000 Euro verkaufen. Doch dazu wird es nicht kommen: Die Berliner Kulturverwaltung erhob Anspruch auf den Schatz und erstattete Anzeige "wegen aller in Betracht kommender Delikte". Die Korrespondenz wird nun bei der Wiener Anwältin Ingrid Schwarzinger verwahrt, bis der komplexe Fall geklärt ist.

Iffland, 1759 in Hannover geboren, war wohl der berühmteste Schauspieler seiner Zeit. Er verkörperte 1782 den Franz Moor in der Uraufführung von Schillers Die Räuber. 1796 wurde er Direktor des Nationaltheaters auf dem Gendarmenmarkt. Iffland, der auch als Dramatiker große Erfolge feierte, vermochte in Berlin eine regelrechte Theaterbegeisterung zu entfachen. Er starb 1814.

An ihn erinnert ein Ring, der von seinem Träger testamentarisch an den seiner Meinung nach "jeweils bedeutendsten und würdigsten Bühnenkünstler des deutschsprachigen Theaters auf Lebenszeit verliehen" wird. Derzeit ist der Iffland-Ring, seit 1954 zweckgebundenes Eigentum der Republik Österreich, in Besitz von Bruno Ganz. Er erhielt ihn 1996 nach dem Tod von Josef Meinrad.

Eine komplette Lkw-Ladung

Die Iffland-Materialien waren Teil eines riesigen Archivs, das Hugo Fetting, ein nun 90-jähriger Theaterwissenschafter im Ruhestand, über Jahrzehnte in Berlin-Ost aufgebaut hatte. Hugo Wetscherek, Geschäftsführer von Inlibris, kaufte dessen Archiv, eine komplette Lkw-Ladung, um angeblich 50.000 Euro. Spätestens bei der Sichtung stellte sich heraus, dass zahlreiche Materialien mit einem Stempel der Akademie der Künste versehen waren. Fetting hatte früher in der Akademie als Archivar gearbeitet. Wetscherek überließ der Akademie in der Folge das gesamte Material - bis auf die Iffland-Akten. Im Gegenzug anerkannte die Akademie das "Eigentumsrecht von Inlibris" an diesem Konvolut. Sie dürfte allerdings nicht befugt gewesen sein.

Die Berliner Kulturverwaltung schrieb Wetscherek, dass die Iffland-Akten vom einstigen Archiv der Staatsoper Berlin an die Akademie der Künste der DDR verliehen worden seien: "Da Dr. Fetting seinerzeit zur Geschichte der Staatsoper Berlin forschte und publizierte, hatte er ein großes Interesse an den Iffland-Akten aus dem Archiv der Staatsoper." Heute sei das Landesarchiv Berlin die Eigentümerin der Iffland-Akten.

Tatsächlich gibt es eine Dissertation von Fetting aus 1978 mit dem Titel Das Repertoire des Berliner Königlichen Nationaltheaters unter der Leitung von A.W. Iffland. Der Autor will aber auf andere Weise in den Besitz der Korrespondenzen gekommen sein: Dem Spiegel sagte er, er habe das Material "im Sommer oder Herbst 1952" aus den Trümmern der Generalintendanz der Preußischen Staatstheater geborgen. Der Süddeutschen Zeitung hingegen nannte er den "Mai oder Juni 1953": Die Akten seien aus dem Fenster auf den "Müll" geworfen worden, da habe er sie mitgenommen und also gerettet. Ist er aber auch der rechtmäßige Besitzer? Darüber wird eifrig diskutiert.

Wetscherek widerspricht der Ansicht, dass die Iffland-Materialien "verschollen" gewesen seien: "Sie standen im Arbeitszimmer von Fetting. Und man hat ihn mit den Akten in die Pension ziehen lassen." Fetting hätte sein Archiv in Berlin zum Kauf angeboten, doch niemand sei interessiert gewesen. Daher habe er sich an Inlibris gewandt. In Berlin betont man nun die Bedeutung des nationalen Kulturguts. Doch man scheint keine Ansprüche geltend machen zu können: Die Kulturverwaltung will sich gütlich einigen - und nannte Wetscherek bereits einen Preis, den sie zu zahlen bereit ist.