Iffland-Archiv: Kurioser und verzwickter Fall

  • Kurier
  • 19 January 2014
  • Werner Rosenberger

Streit ums überraschend am Kunstmarkt wieder aufgetauchte Iffland-Archiv

August Wilhelm Iffland war schon zu Lebzeiten eine Legende. Als bedeutendster Theatermann Preußens hat er Goethe und Schiller zu Stars gemacht.

Er spielte den Franz Moor in der Mannheimer Uraufführung von Schillers "Räubern", trat in Goethes Hoftheater in Weimar auf und machte das Königliche Nationaltheater in Berlin – unter seiner Leitung von 1796 bis zu seinem Tod 1814 – zur führenden Bühne.

Ein "Klassiker" ist im Grunde die überraschende Wiederentdeckung des Iffland-Archivs: Nach dem Rechtsstreit über die Besitzverhältnisse beim jahrzehntelang im Tresor verwahrten Kafka-Nachlass ortet das deutsche Feuilleton jetzt einen weiteren "Fall Gurlitt".

Die Parallelen: Es geht immer um Geld. Die Besitzverhältnisse sind ungeklärt und Eigentümeransprüche nach Jahrzehnten auch nur schwer bis nicht mehr nachzuweisen. Kurzum: Die Rechtslage ist schwierig.

Die Vorgeschichte

Das verschollen geglaubte Korrespondenzarchiv des berühmten Schauspielers und Theaterdirektors August Wilhelm Iffland (1759–1814) tauchte plötzlich nach Jahrzehnten wieder auf.

Unter merkwürdigen Umständen. Im Katalog der "Antiquaria"-Messe für seltene Bücher, Bilddrucke und Autografen ab 23. Jänner in Ludwigsburg bei Stuttgart, angeboten um 450.000 Euro vom Wiener Antiquariat "Inlibris".

"Gefunden" und "aus dem Müll vor der Vernichtung gerettet" habe die 34 Bände mit rund 6000 Briefen aus Ifflands Korrespondenz der heute 90-jährige Ost-Berliner Theater-Historiker Hugo Fetting 1952 oder 1953 aus den Trümmern des Preußischen Staatstheaters.

Er verwahrte das theatergeschichtlich enorm wichtige Konvolut mehr als ein halbes Jahrhundert lang in seiner Privatwohnung in Ostberlin auf.

Er hätte das Material bereits mehrfach in Berlin zum Kauf angeboten, aber sei bei den städtischen Institutionen auf kein Interesse gestoßen. Deshalb verkaufte er seine umfangreiche Sammlung vor knapp mehr als einem Jahr schließlich an "Inlibris". Um angeblich 50.000 Euro.

Komplizierte Rechtslage

Zum Iffland-Konvolut gehören Briefe von August Wilhelm Schlegel, Johanna Schopenhauer, ein Schreiben von Goethe, 17 Briefe des Dramatikers August von Kotzebue sowie Hunderte von Kostüm-, Besetzungs- und Dekorationsverzeichnissen des Berliner Theaters.

Nur der Briefwechsel mit Schiller, dessen an Iffland geschickte Manuskripte und wohl auch einige Goethe-Briefe fehlen.

Während es in der Causa Gurlitt zumindest teilweise um Raubkunst geht, spielt der Kunst-Krimi um Fetting in den Nachkriegswirren am Beginn in den Ruinen der jungen DDR.

Verzwickt ist in beiden Fällen die Eigentümerfrage. Wobei manche offenbar davon ausgehen, dass langer Dauerbesitz Eigentum begründet.

"Sammlung Fetting"

Jetzt sind die Anwälte am Zug. Die Berliner Kulturverwaltung erhebt zwar Anspruch auf das "Kulturgut von nationalem Rang". Denn heute sei das Landesarchiv Berlin die Eigentümerin der Iffland-Akten.

Aber einerseits scheint der Nachweis schwierig. Andererseits hat die Akademie der Künste in Berlin, nachdem sie jene Akten mit Besitzstempel der Akademie zurückerhalten hatte, das "Eigentumsrecht von Inlibris" am Iffland-Konvolut bereits anerkannt. Und obendrein schriftlich auf die Besitzansprüche daran verzichtet. Möglicherweise, ohne dazu überhaupt berechtigt gewesen zu sein.

Inlibris-Geschäftsführer Hugo Wetscherek ist sich der "problematischen Provenienz" der "Sammlung Fetting" bewusst, fühlt sich allerdings im Recht. Eine Klage auf Herausgabe der von der Wiener Anwältin Ingrid Schwarzinger verwahrten Iffland-Bände wurde bisher nicht eingereicht. Da die Rechtslage äußerst vertrackt und unter Umständen aufgrund von Verjährungsfristen und möglichen Lücken in der Provenienz unklar ist, könnte Berlin eine außergerichtliche Einigung anpeilen. Die sei indes für Wetscherek nur möglich, wenn der Verkaufspreis gezahlt werde. Unabhängig davon bleibt Ifflands Korrespondenz mit Schiller und Goethe weiterhin verschollen.